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Industrie 4.0 – 2. Industriedialog Ost in Leipzig

Industrie 4.0 – 2. Industriedialog Ost. Ein noch sehr junges Format, der Industriedialog Ost, fand am 30. Juno 2016 in Leipzig statt. Der zweite Kongress dieser Art wurde in der Zeit der RoboCup auf der Messe der Stadt veranstaltet – passender können die Themen kaum sein. Das Schlagwort Digitali- sierung ist seit geraumer Zeit in den Medien und nervt auch schon viele, dass wir trotzdem nicht am digitalen Wandel vorbei kommen liegt deutlich auf der Hand. Welche Auswirkungen dieser Prozess hat, haben wird oder nicht haben wird, ist auf breiter Front NICHT klar! Was alles mit dem Wort digital etikettiert wird, muss nicht zwangsläufig auch etwas damit zu tun haben. Beim 2. Industriedialog Ost fanden die Referenten klare Worte, nicht nur zur digitalen Situation der Industrie.

Mit einem Anteil von 22 bis 25 Prozent am BIP in Deutschland hat die Industrie (je nachdem, wie genau man Industrie vom produzierenden Gewerbe unterscheidet) eine gewichtige Bedeutung für Wirtschaft, Arbeitsplätze und Innovationen hier im Lande. Die ostdeutsche Industrie unterscheidet sich durch ihre mehrheitlichen Vertreter aus dem Mittelstand (KMU) von der westdeutschen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die Vielfalt ist enorm, die kritischen Größen, als wirklich bedeutende Unternehmen wahrgenommen zu werden, unterschreitet die Mehrheit der ostdeutschen industriell geprägten Betriebe.

Eine negative Auswirkung dieser Industriestruktur sind die immer kleiner werdenden Investitionen der KMU im Osten in Forschung und Entwicklung. Aber nicht nur dieser strukturell bedingte Fakt macht Andreas Heilmann in seinem länger ausgefallenen Grußwort an die Teilnehmer Sorgen.

Andreas Heilmann, Vizepräsident der IHK zu Leipzig bei der Kongresseröffnung

Der Vorsitzende des Industrieausschusses Innovation und Zukunft findet klare kritische Worte: Von der gefühlt zunehmenden Industrieskepsis, immer stärker werdender bürokratischer Exzesse bis hin zur satten zufriedenen Spaßgesellschaft sieht er, so wortwörtlich, ein neues Feindbild – um es zusammengefasst zu sagen, die Bürokratie und Gesellschaft gegen gegen die Industrie!

Er begründet das nicht nur mit solchen Schlagworten wie: „Genehmigungen … (für die Industrie) … als Gnadenakt der Behörden.“ oder „Entscheidungen der Behörden aus Angst vor dem mündigen Bürger.“, nein, er trägt ein ganz praktisches Beispiel aus Eilenburg dafür vor, der Wäscherei Wagner, ein langjährig erfolgreiches Unternehmen in der Kleinstadt an der Mulde, droht Ende des Jahres das Aus, zumindest am jetzigen Standort, weil bestimmte Fördergeldbestimmungen der Stadtentwicklung mit dem Betrieb an dieser Stelle kollidieren.

Wer in einer Industrieregion lebt, wird auch ab und zu mal auf ein Industrieunternehmen treffen. Andreas Heilmann

Doch die Sorgen von A. Heilmann gehen noch viel weiter! Er zeichnet auch ein düsteres Bild der Einstellung vieler Menschen zu Industrie und Handwerk und dem Unternehmertum überhaupt. Das kommt unter anderem in den immer drastischer sinkenden Zahlen von Absolventen in Ausbildungsberufen zum Ausdruck. Schlossen zum Beispiel noch vor Jahren 120 Elektriker pro Jahr die Lehre in Leipzig ab, waren es aktuell nur 19 (neunzehn)! Vier Kernthesen trug der Vizepräsident der IHK vor, um der schleichenden Deindustrialisierung zu begegnen:

  1. mehr Akzeptanz für Unternehmertum und Industrie,
  2. Priorität auf Investitionen,
  3. fit sein oder machen für Innovationen (Industrie 4.0 & Digitalisierung, etc.),
  4. Fachkräfte für die Wirtschaft sichern.

Iris Gleicke, MdB, Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, für Mittelstand und Tourismus.

Ganz so kritisch sieht Iris Gleicke die Situation der ostdeutschen Industrie nicht, so gäbe es Regionen, zum Beispiel in Leuna, in der die Menschen sich sehr wohl bewusst sind, welchen Stellenwert Industrie auch und gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft hat. Die große Herausforderung ist aber immer noch, und das ist schon seit Jahrzehnten so, organisches Wachstum innerhalb der ostdeutschen Industrie hinzubekommen und die immer problematische Situation bei vielen Unternehmen, die in die Jahre gekommen sind, und nun nach Nachfolgern Ausschau halten (müssen). Man könnte die Ausführungen von Iris Gleicke auch in einer provokant visionären Frage zusammenfassen: Was müssen wir tun, damit im Osten Deutschlands Weltkonzerne entstehen können?

Dr. Daniel Senff, Stellvertretender Leiter der Geschäftsstelle Plattform Industrie 4.0

Dr. Senff stellte den Stand der Arbeit der Plattform Industrie 4.0 vor. Die Plattform versteht sich als zentrales Netzwerk zur Gestaltung der digitalen Transformation in Deutschland. Nach eigenen Aussagen vereint die Plattform diejenigen, die Industrie 4.0 mitgestalten möchten. Zentrale Aussagen von Dr. Senff zu den Inhalten der Plattform sind u. a. inhaltliche Empfehlungen geben zu können, Unternehmen und hier natürlich auch den Mittelstand für den Prozess von Industrie 4.0 zu begeistern, die beteiligten Akteure zu unterstützen und Vernetzung und Kooperation zu fördern. Kooperation wird bei dieser Plattform sehr wörtlich genommen, mehrfach und explizit wies Dr. Senff darauf hin, dass jeder sich an der Arbeit der Plattform Industrie 4.0 beteiligen kann.

Dr. Ute Berger von der IHK München und Oberbayern stellt einen Online-Leitfaden und Selbsttest für KMU vor.

Unter der Frage „Wie digital ist Ihr Unternehmen?“ hat die IHK München und Oberbayern einen Leitfaden Industrie 4.0 für KMU online gestellt, dort kann jeder auch einen Selbsttest machen.

Prof. Dr.-Ing. Dieter H. Weidlich stellt den Innovationsverbund Maschinenbau Sachsen VEMASinnovativ vor.

Als letzter Vertreter von Institutionen und Plattformen kommt Prof. Dr. Dieter H. Weidlich zu Wort. Er stellt die Arbeit des Innovationsverbundes Maschinenbau Sachsen dar, eine Plattform für die Digitalisierung und Automatisierung der Industrie. Neben diesen Ausführungen plauderte er auch ein wenig aus dem Nähkästchen der Geschichte der Industrie 4.0 in Sachsen. Ja, Sie haben richtig gelesen der Geschichte der Digitalisierung! Das Spannungsfeld was er hier aufzeigt beginnt bei Unternehmen, die schon seit Jahren einen extrem hohen Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad als Normalität im Alltag von Produktion und anderen Prozessen (er-)leben und heute ganz erstaunt feststellen, dass sie sich Industrie-4.0-Unternehmen nennen können. Das andere Ende sind Unternehmen, bei denen der ganze Hype um die Industrie-4.0-Debatte schlichtweg vorbeigehen wird.

Ja, es werden Arbeitsplätze durch die Entwicklungen, die wir unter dem Stichwort Industrie 4.0 zusammenfassen, wegfallen. Es werden aber auch neue Arbeitsplätze entstehen! Prof. Dr.-Ing. Dieter H. Weidlich

Interessant sind seine Ausführungen auch zum Thema Führung, die muss sich ändern und das nicht nur aufgrund der Digitalisierung oder weiterer Entwicklungen in der Industrie. Auch die immer stärkere Differenzierung der Struktur der Arbeitsplätze in hoch spezielle Qualifikationen und hoch spezielle Ausprägungen sei ein Problem der Zukunft der Arbeit.

Praxisanwendungen Industrie 4.0

Im zweiten Teil des Industriedialoges Ost kamen einige Vertreter praktischer Anwendungen der Industrie 4.0 zu Wort.

Harald Heinrich von der Infineon Technologies Dresden GmbH stellt die Auswirkungen von Industrie 4.0 im Unternehmen dar.

In der Halbleiterherstellung ist der Grad von digitalen und automatisierten Prozessen extrem hoch. Herr Heinrich geht insbesondere auf die Personal-Problematiken ein, die entstehen, wenn eine „Schicht“ nur noch aus einem Menschen oder zwei Personen besteht. Alle bekannte Konzepte von Führung oder Teamentwicklung sind an dieser Stelle als sinnlos anzusehen.

Dr. Andras Bley, Geschäftsführer MetraLabs GmbH aus Ilmenau, berichtet über mobile Servicerobotik im Einzelhandel.

Einen interessanten Praxiseinblick hat Dr. A. Bley den Teilnehmern geboten. Er berichtete von den Erkenntnissen sowie Vor- und Nachteilen des ganz konkreten Einsatzes von Servicerobotern im Einzelhandel.

Dr. Wolfgang Leidholdt präsentiert Planungsmöglichkeiten von kollaborativen Mensch-Roboter-Arbeitssystemen.

Das System Mensch-Roboter in der Arbeitswelt interessiert Dr. W. Leidholdt besonders. Mit einer speziellen Software lassen sich notwendige Planungen solcher Systeme effizient darstellen und auch die Gefahren, denen ein Mensch in einem solchen kollaborativen System ausgesetzt ist, besser erkennen und so abstellen.

Prof. Dr.-Ing. Gerhard Kraetzschmar, General Chair RoboCup 2016 reflektiert 20 Jahre RoboCup und den Nutzen für Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft.

Last, but not least gibt Prof. Dr.-Ing. Kraetzschmar einen Überblick über die Geschichte von 20 Jahren RoboCup. Die Robotik ist eine bedeutungsvolle disruptive Technologie, die in ihren Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft überhaupt noch nicht umfassend eingeschätzt werden kann.

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Hier schreibt der Unternehmensberater, Coach und Organisationsentwickler, mit viel Lust auf Marketing und Vertrieb. Ich bin auch Vortragsredner, Workshopleiter, Supervisor, Unternehmer seit 1991, Leipzig-, Eilenburg- und Berlin-Versteher sowie deutschsprachig weit unterwegs, von Herzen Nordsachse, Optimist in den meisten Fällen, Blogger, Fotograf, Trainer, auch Ausbilder für Autogenes Training – kurz: vielleicht auch dein Entwicklungsspezialist?
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