Von der Theorie zur Praxis – gefangen im Pfad von Alltag und Veränderungsfrust
Kennen Sie solche Ansagen: Das ist zu viel Theorie, wir brauchen Praxis! Wir bei uns im Unternehmen sind veränderungsmüde! Keinen Bock auf noch mehr Neues! Wir treten auf der Stelle! Wir drehen uns im Kreis! Wir haben schon so vieles getan und (aus-)probiert, aber es hat keine nützlichen Effekte gebracht. Wir bleiben bei unseren Leisten. Was der Bauer nicht kennt, …! Die Liste der Antiverändeurngssprüche und Killerphrasen ließe sich wahrlich noch lange weiter führen. Von der Theorie zur Praxis – gefangen im Pfad von Alltag und Veränderungsfrust, muss das sein?
Woran merke ich, dass meine Veränderungsbemühungen, die Entwicklungsanstrengungen oder die Lust auf Wandel einen „guten“ Impuls von außen brauchen? Um es gleich zu sagen, das merken wir im Leistungs- und Unternehmensalltag (leider) wirklich selten! Seit 2016 ist das Schema Praxisbezug & Veränderung, aber bitte nicht zu viel Theorie! hier im Blog veröffentlicht. Das als Grundlage für die neuen Überlegungen in diesem Beitrag dient.
Große Wege, kleine Wege – denkste!
Aufwand, und ja auch Nachhaltigkeit!, von begonnenen Entwicklungen im Unternehmen unterliegen vielen Faktoren. Einen Faktor können wir ganz bewusst beeinflussen, dieser ist DAS EINBINDEN VON POTENZIALEN in die Veränderung oder Entwicklung. Nicht umsonst „schreien“ moderne oder auch agile Organisationen und Unternehmenskulturen nach der Beteiligung von allen Menschen in den wichtigen Veränderungsprozessen. Doch auch im Alltag lange bestehender Unternehmen und deren Kulturen ist diese Orientierung am „Mitnehmen“ aller nützlich. Geschieht das nicht, erleben wir quasi eine Häufung von zu Tage tretenden Innovationswiderständen mit all dem Frust, wie er oben beschrieben ist. Hier stellt sich die Frage, welcher Weg der längere ist? Ob aus Gründen des Kostenrahmens, herrschenden Überzeugungen oder schlicht Nichtwissens lockt der scheinbar schnelle Weg mit herrlichen Verheißungen der tollen Praxisumsetzung. Fertig soll es sein und funktionieren muss es, und am besten schon gestern!
Der toll gedachte kleine Weg wird zum Hindernislauf aller möglichen Gründe warum etwas nicht geht und man fängt an, am Sinn der Veränderung oder Entwicklung zu zweifeln. So wie in der Grafik oben dargestellt, kommt man eben nicht gleich in der nutzbaren Praxis an.
Von der Theorie zur Praxis, gefangen im Pfad von Alltag und Veränderungsfrust und du kennst die Pfadtheorie!
Eine Betrachtung, die im Beratungsalltag noch sehr wenig Beachtung findet ist die Pfadtheorie oder auch deren Effekt die Pfadabhängigkeit. Selbstverstärkende Mechanismen (Verhalten, Entscheidungen, Denken, Erleben, usw.) wirken wie „generelle selbsterfüllende Prophezeiungen“, die uns täglich tiefer in die Abhängigkeit vom einmal eingeschlagenen Pfad treiben. Alternative Handlungsoptionen werden nicht mehr wahrgenommen! Nicht selten hören wir dann Sätze, die von ALTERNATIVLOSIGKEIT sprechen, was selbstverständlich Blödsinn ist!
Beispiele für bekannte sich selbstverstärkende Mechanismen sind unter anderem:
- das so genannte Gruppendenken (grop think),
- das Denken in (nur) Nutzeffekten von Investitionen (die Maschine „x“ ist nun mal da, die soll sich auch lohnen!),
- tradierte Normen, die nicht in Frage gestellt werden,
- aber auch die viel zitieren „Filterblasen“, die aufgrund von Algorithmen in Sozialen Netzwerken entstehen oder
- das sich Umgeben mit nur ähnlichen Mitarbeiter oder Kollegen und Kolleginnen.
Pfadabhängigkeit wirkt wie Treibsand, je mehr man sich darin bewegt, um so dichter steckt man fest. Sven Lehmann, Unternehmens- und Organisationsberater, Coach
Das Problem an diesen selbstverstärkende Mechanismen: sie wirken langsam, unbemerkt und größtenteils auch unbewusst. Man spricht dann von einem Lock-in in die Pfadabhängigkeit! Wer da tiefer in die Materie einsteigen will, der sucht nach dem Berliner Phasenmodell. Mag sein, dass uns dieses Wissen nun manche merkwürdige Entwicklung in Unternehmen oder Organisationskulturen im neuen Licht erscheinen lässt, aber was kann die Organisation und der Einzelne denn tun, um sich „mehr“ zur Pfadfreiheit zu bewegen? Geht das überhaupt?
Von der Pfadabhängigkeit zur Pfadfreiheit
Oberflächlich könnte man sagen: Trainiere deine Achtsamkeit, reflektiere deinen Alltag und dich selbst! Ob das allein ausreicht, um nicht in bestimmte Pfadabhängigkeiten zu geraten darf an dieser Stelle natürlich bezweifelt werden. Es gibt Hinweise darauf, dass …
… massive Unsicherheiten in einer Entscheidungssituation eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung einer Pfadabhängigkeit ist.
In Zeiten, in denen wir uns angeblich viel in „VUKA-Welten“ bewegen, das „U“ steht in dem Akronym übrigens für Unsicherheit!, scheinen die Prozesse, die Pfadabhängigkeit befördern, ganz besonderer Aufmerksamkeit zu bedürfen!!! Was ist also zu tun?
Stöbert man in der Fachliteratur zur Pfadabhängigkeit, so stellt man schnell fest, das Thema ist noch unzureichend erforscht. Fragt sich der Coach, Prozessberater oder Berater aus seiner Erfahrung, so kommt er unter anderem auf folgende mögliche Maßnahmen, um mehr Pfadfreiheit zu erlangen.
Kleine Checkliste Pfadabhängigkeit reduzieren
- Entwickeln Sie ein zusätzliches Bewusstsein für Entscheidungsprozesse bei großen Unsicherheiten, in dem Sie sich Zeit nehmen für (mehr) Reflexion, sowohl von eignen Gedanken und Intentionen, als auch die Ihrer Umwelt im Unternehmen.
- Fragen Sie sich, wo es derzeit so gut läuft, dass Sie Veränderungen in dem Bereich auf einen Fall wollen würden, hier ist die Gefahr von starker Pfadabhängigkeit am größten!
- Reflektieren, Hinterfragen und transparenter Umgang mit Normen, Werten und generellen starken Überzeugungen (Glaubenssätze) im Unternehmen.
- Entscheidungstechniken können helfen, ersetzten aber das Buchgefühl nicht!
- Intuition ist kein Hexenwerk! Üben Sie sich darin, ein Gefühl für Ihr System zu entwickeln. In jeder guten Biografie erfolgreicher Menschen werden Sie über Intuition mindestens ein Kapitel finden, Sie sind da in guter Gesellschaft.
Reduktion von Pfadabhängigkeit – der Luxusblick von Außen oder ist Beratung vielleicht doch sinnvoll?
Und ohne an dieser Stelle zu viel Eigenwerbung machen zu wollen, selbstverständlich ist die eigentliche Daseinsberechtigung von Coaches, Beratern, Prozessberatern oder -Begleitern genau die Unvoreingenommenheit, Exklusivität und Nichtversticktheit, die Unternehmern, Führungskräften und Mitarbeitern helfen kann, manchen Pfad vielleicht nicht gehen zu müssen! Lassen Sie uns einfach drüber reden.
Hier schreibt der Unternehmensberater, Coach und Organisationsentwickler, mit viel Lust auf Marketing und Vertrieb. Ich bin auch Vortragsredner, Workshopleiter, Supervisor, Unternehmer seit 1991, Leipzig-, Eilenburg- und Berlin-Versteher sowie deutschsprachig weit unterwegs, von Herzen Nordsachse, Optimist in den meisten Fällen, Blogger, Fotograf, Trainer, auch Ausbilder für Autogenes Training – kurz: vielleicht auch dein Entwicklungsspezialist?
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