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Im Coaching, als Mensch im eigenen Unternehmen verloren – Erfolg, Zeit und der Rest vom Leben

Es gibt sie noch, die Vollblutunternehmer und -unternehmerinnen, die den ganzen Tag von einem Termin zum anderen jagen, immer ein Kilogramm verlorene Zeit im Nacken und damit ist nicht die Zeitung gemeint, sondern der Druck, das geht noch bis heute Abend und die ganze Woche so weiter. Nicht selten kommt diese Spezies zu vereinbarten Zeiten immer zu spät, aber noch zeitig genug, bevor man selbst den Treffpunkt wieder verlässt. Oft genug wird noch damit kokettiert, dass man praktisch einen 110prozentig gefüllten Kalender hat. Im Coaching würde man herausarbeiten: dieser Mensch ist als Mensch im eigenen Unternehmen verloren. Anders gesagt: warum Erfolg ohne den Rest vom Leben mit an Bord zu haben, weniger als ein Pyrrhussieg ist.

Übersetzt in den politisch korrekten Sprachgebrauch unserer Tage würde man eine solche Lebensweise vermutlich nicht nachhaltig nennen. Systemisch betrachtet, drängt sich in dieser Art der Lebensführung die selbstauferlegte Egomanie ins Bewusstsein, die Gewinnmaximierung durch maximale Effizienzsteigerung noch weiter zu befördern oder dadurch die vielen selbst gegründeten Unternehmen überhaupt am Leben zu erhalten. Es ist nicht verwunderlich, dass Vertreter junger Generationen diese Art von Leben nicht unbedingt als nachlebenswert wahrnehmen.

Einmal abgesehen davon, dass es hierzulande eklatant unhöflich ist, dauerhaft zu spät zu kommen, ein Leben lang unreflektiert durch den Tag zu hetzen und das als „normal“ für Unternehmer zu proklamieren, zeugt diese Verhaltensweise von einer völligen Unfähigkeit zum Selbst-, Konzentrations- und Prioritätenmanagement. Ich benutzte diese Differenzierung seit Jahren, da Zeitmanagement an der falschen Stelle ansetzt. Freilich gehen die Leute lieber zum Zeitmanagementseminar, lernen fleißig Methoden, in ihren zu 110 Prozent gefüllten Kalander vielleicht noch einen neuen Termin rein quetschen zu können, bezahlen dafür eine Menge Geld und kommen nicht auf grundsätzliche Fragestellung: Welchen Sinn hat ein solch zeitgequetschtes Leben?

Es fehlt an Reflexion – auf jeder Ebene

Es ist wichtig, ein solches Verhalten vor dem Hintergrund der Unternehmensphasen zu betrachten. Selbstverständlich muss ich als Gründer oder Gründerin eines Unternehmens in eine, auch zeitliche, Vorleistung gehen. Ein Flugzeug investiert beim Start auch einen Großteil der vorhandenen Energie. Logisch muss ich, um Neues zu schaffen, mehr als engagiert sein – ich kenne keinen Menschen in der Gründungsphase, bei dem das nicht so ist.

Aber – wenn das nach 10 oder gar 30 Jahren seit Gründung immer noch so ist, so fehlt es an Reflexion. Entweder man wählt dieses Leben bewusst, dann ist das ikonenhafte Herumtragen der eigenen KalenderLebensauslastung allerdings bloße Selbstbeweihräucherung, ein mentaler Schutzmantel vor Veränderungserkenntnis und für die Umwelt schlicht nervtötend, wenn nicht inakzeptabel.

Oder man ist im Dschungel verschiedener Pfadabhängigkeiten so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass man sich praktisch als Mensch, in dem Fall in seinem eigenen Unternehmen, schlicht verloren hat. Wenn man dann noch glaubt, dass sei persönliche Entwicklung und man müsste die Lebensleistung noch steigern, da sich sonst das gesamte Konstrukt nicht am Leben erhalten lässt, dann …

Nietzsche hat diese Verhaltensweise schon vor über 100 Jahren kritisiert und das nicht nur bei Unternehmern:

Hauptmangel der tätigen Menschen. – Den Tätigen fehlt gewöhnlich die höhere Tätigkeit: ich meine die individuelle. Sie sind als Beamte, Kaufleute, Gelehrte, das heißt als Gattungswesen tätig, aber nicht als ganz bestimmte einzelne und einzige Menschen; in dieser Hinsicht sind sie faul.Friedrich Nietzsche in Menschliches, Allzumenschliches, erster Band, Fünftes Hauptstück, 283, Seite 379

Jetzt könnte man fragen: Ist es denn nicht die Aufgabe als Unternehmer, sich genau so zu verhalten? Schließlich sind Firmen in Deutschland gesetzlich verpflichtet, Gewinn zu machen. Schließlich braucht es (immer) jemand (anderen) der vorangeht?

Es ist wie die Suche nach der Antwort auf die Frage: Was geht im Kopf einer Autofahrerin vor, wenn diese riskante Überholmanöver in Kauf nimmt, um im innerstädtischen Verkehr zwingend an der nächsten Ampel vor, statt hinter mir auf Grün zu warten? Ich vermute nichts, denn dieses Verhalten wird kaum reflektiert.

Wie auch immer, ich muss meinem Mathematiklehrer aus Schulzeiten dankbar sein; ein geflügeltes Wort von ihm lautete bei Zeitmangel stets:

Der Tag hat 24 Stunden, wenn das nicht reicht, nimm einfach die Nacht noch mit dazu.

In bestechender mathematischer Logik meinte er das natürlich als Scherz. Doch sind die praktischen Auswirkung dieser Erkenntnis so einfach, wie offensichtlich schwer umsetzbar.

In der Betrachtung von Erfolgen oder Ergebnissen wirtschaftlicher Tätigkeit und überhaupt von Aufgabenerledigung im Tages- und Wochenverlauf, vor dem Hintergrund des oben gesagten:

  1. Um wie viel mehr wird die Welt besser sein, wenn ich zu den 10 Luxusautos in meiner Garage das 11. dazustelle? Ist die Egomanie und die Sucht nach Anerkennung, von denjenigen wenigen, die an einen echten Sinn dieses Erfolges glauben, dann befriedigt? Wenn ja, wie lange?
  2. Die Welt steckt voller Konflikte, Missverständnisse und Einsamkeit – könnte ein Grund dieser Tatsache darin liegen, dass unser Ohr oder unsere Aufmerksamkeit alltagspraktisch selten im Jetzt hört, sondern der Fokus schon im nächsten angrenzenden Termin liegt?
  3. Ist das Streben nach immer mehr, immer sofort, immer größer, immer etc. ein sinnvolles Verhalten, wenn man sich bewusst macht, dass mindestens die personengebundene Ressource LEBEN unbestritten endlich ist?

Gänzlich unreflektiert durchs Unternehmerleben zu gehen, hat einen, oft unbewussten, sehr hohen Preis. Die Lebensdimensionen von Erfolg sind vielfältig. Wirtschaftlichen Erfolg zu haben ist die unbedingte Voraussetzung, aber nicht das alleinige Ziel eines Unternehmerlebens.

Hier schreibt der Unternehmensberater, Coach und Organisationsentwickler, mit viel Lust auf Marketing und Vertrieb. Ich bin auch Vortragsredner, Workshopleiter, Supervisor, Unternehmer seit 1991, Leipzig-, Eilenburg- und Berlin-Versteher sowie deutschsprachig weit unterwegs, von Herzen Nordsachse, Optimist in den meisten Fällen, Blogger, Fotograf, Trainer, auch Ausbilder für Autogenes Training – kurz: vielleicht auch dein Entwicklungsspezialist?
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